Funktionieren statt fühlen

" Funktionieren statt fühlen ?!"

Funktionieren statt fühlen – Warum Perfektionismus uns krank macht.

 

In meiner Arbeit mit Familien und Einzelpersonen begegnen mir immer wieder ähnliche Situationen. Menschen, welche sich durch Ihren Alltag extrem gestresst fühlen: Menschen, die alles geben – für ihre Kinder, ihre Partnerschaft, ihre Angehörigen oder ihren Job – und dabei sich selbst verlieren. Sie funktionieren. Und sie tun es oft mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass sie gar nicht merken, wie sehr sie dabei erschöpfen.

Viele sagen zu mir: „Ich kann nicht einfach langsamer machen, dinge abgeben oder ganz sein lassen. Es muss ja weitergehen.“ Dahinter steht oft ein tief verwurzelter Perfektionismus – die Überzeugung, alles im Griff haben zu müssen, keine Schwäche zeigen zu dürfen und bloß niemandem zur Last zu fallen, geschweige denn um Hilfe zu bitte.

Woher kommt dieser Druck?

Perfektionismus ist selten angeboren. Er entsteht in der frühen Kindheit, in Familien, in denen Leistung zählt, Harmonie um jeden Preis gewahrt werden soll oder emotionale Bedürfnisse keinen Platz hatten. Wer gelernt hat, Liebe und Anerkennung nur durch Funktionieren zu bekommen, wird auch als Erwachsener schwer Nein sagen können – weder zum vollen Terminkalender noch zur inneren Selbstkritik.

Auch gesellschaftlich ist das Ideal der „funktionierenden Person“ stark verbreitet: produktiv, verlässlich, leistungsbereit – und möglichst unauffällig, wenn es um Gefühle geht. Das Problem: Wer ständig versucht, „alles richtig“ zu machen, lebt oft an sich selbst vorbei. Und fast noch schlimmer, unsere Kinder sehen direkt an uns wie wichtig es ist, immer zu funktionieren.

Die Folgen sind oft Leere statt Leben

Wenn Menschen über längere Zeit im Funktionsmodus bleiben, zeigt sich das oft körperlich und seelisch:

  • Erschöpfung bis zur Erschöpfungsdepression

  • Gereiztheit, Schlafstörungen, Rückenschmerzen

  • Gefühl der inneren Leere oder Gefühllosigkeit

  • Konflikte in Beziehungen durch emotionale Distanz

Besonders in Familien kann das dramatisch sein. Kinder spüren, wenn Eltern zwar „da“, aber innerlich nicht präsent sind. Das beeinflusst das Bindungserleben und den Selbstwert der Kinder – ein Teufelskreis entsteht.

Fühlen statt funktionieren – ein erster Schritt

In meiner aufsuchenden Arbeit, sei es im häuslichen Umfeld oder draußen in der Natur, erlebe ich, wie heilend es sein kann, wenn Menschen wieder mit sich selbst in Kontakt kommen. Schon eine einfache Frage wie: „Wie geht es dir gerade – wirklich?“ kann Türen öffnen.

Kleine Schritte können große Wirkung haben:

  • Pausen einbauen – nicht nur im Kalender, sondern auch innerlich

  • Gefühle benennen lernen – z. B. durch ein Gefühlstagebuch

  • Sich erlauben, nicht perfekt zu sein – und das bewusst üben

  • Unterstützung annehmen, bevor es nicht mehr anders geht

Systemisch gedacht: Du bist Teil eines Ganzen – und darfst dich selbst mitdenken

Systemische Beratung betrachtet nicht nur das Individuum, sondern auch das Umfeld, die Beziehungen und die Muster, in denen wir leben. Wenn eine Person in einer Familie anfängt, authentischer zu sein, verändert sich oft das ganze System. Es braucht nicht die perfekte Mutter oder den perfekten Vater – sondern ein echtes Gegenüber. In Familien, in Beziehungen, auf der Arbeit - Menschen brauchen Menschen!


 

Mein Fazit für mehr Gelassenheit & fühlen:
Perfektionismus ist kein Persönlichkeitsmerkmal – sondern oft eine Überlebensstrategie, die heute nicht mehr nötig ist (vielleicht war sie mal wichtig um z.B. als Kind geliebt zu werden). Wenn wir aufhören zu funktionieren und anfangen zu fühlen, entsteht Raum für Verbindung, Veränderung und echte Lebendigkeit. 

🌀 Reflexionsfrage für den Alltag:

„Wenn Sie heute nicht funktionieren müssten – was würden Sie stattdessen fühlen oder tun?“

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um ehrlich in sich hineinzuhören – ganz ohne Bewertung.

     Kleine Übung: „Fünf Minuten für mich“

  1. Suchen Sie sich einen ruhigen Ort – drinnen oder draußen.

  2. Stellen Sie einen Timer auf 5 Minuten.

  3. Schließen Sie die Augen (wenn Sie möchten) und atmen Sie ruhig ein und aus.

  4. Fragen Sie sich: „Wie geht es mir gerade – körperlich, emotional, gedanklich?“

  5. Benennen Sie innerlich, was Sie spüren, ohne es verändern zu wollen. Vielleicht ist da Müdigkeit, Druck, Freude, Leere – alles darf da sein.

 

Wiederholen Sie diese Übung täglich, z. B. morgens nach dem Aufstehen oder abends vor dem Schlafengehen. Sie trainieren damit, sich selbst wieder wahrzunehmen – jenseits der Rolle, die Sie gerade erfüllen.

Herzlich,


Patricia Lang
Systemische Beraterin & systemische Therapeutin 
Praxis für systemische Beratung in der Ortenau
Mail: info@sbt-ortenau.de